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Vancouver wird regelmäßig unter die schönsten Städte der Welt gewählt – und ich will nach zwei Tagen nur noch weg! Vor meinem Hostel und überall in der Stadt lungern Obdachlose herum, es ist schmutzig, riecht unangenehm, ist kalt und regnet. Wo bin ich hier nur gelandet? Ist das noch das Kanada, das bisher mich so fasziniert hat? Irgendwas muss diese Stadt doch haben.

Ich bin irritiert, habe aber keine Zeit mich weiter zu wundern. Wegen dem Touristenandrang ist alles ausgebucht und ich muss nach zwei Nächten erst einmal in ein anderes Hostel ziehen – und das zum Glück, denn Vancouver hat offensichtlich zwei Gesichter.
Bei einer Free Walking Tour quetsche ich erst einmal die Stadtführerin aus. Mit seiner eher liberalen Drogenpolitik und seinem milden Klima zieht die Hauptstadt der Provinz British Columbia insbesondere in den Wintermonaten viele Wohnungslose an. „Vancouver ist der einzige Platz in Kanada, wo man im Winter eher verhungert als erfriert.“ Statt -30 Grad und weniger im Rest wie von Kanada wird es in Vancouver wohl selten unter 0 Grad.

Nach einer Woche fange auch ich an zu verstehen, was die vielen Zugezogenen an Vancouver so schätzen. Verlässt man Downtown (also das Zentrum) warten direkt vor der Haustür je nach Lust und Laune unzählige Strände, Berge zum Wandern oder im Winter Ski- und Snowboard fahren und natürlich der Stanley-Park (eine Naturoase dreimal so groß wie der Hyde Park in London) auf einen.
Die Stadt ist ein Freizeitparadies: „Gehe ich heute lieber Kajak fahren, wandern oder doch Beachvolleyball spielen?“ Zahlreiche Brauereinen werben mit leckerem, lokalen Bier, Restaurants bieten frischen Fisch direkt von vor der Haustür aus dem Pazifik, Rind vom Bauernhof um die Ecke und Weine aus der Region an. Wer es mag – an jeder Straßenecke gibt es Cannabis auf Rezept – offensichtlich ist dies hier sogar günstiger zu bekommen als eine Flasche Rotwein.

Leben in Vancouver hat natürlich seinen Preis – die Unterkünfte sind – sogar für Hamburger Verhältnisse – unglaublich teuer. Einige Leute haben 4 Jobs, um sich eine Wohnung leisten zu können. Dementsprechend werde auch ich hier meine Reisekasse etwas aufbessern und in meinem Hostel ein wenig Geld verdienen. Gestern habe ich den Arbeitsvertag unterschrieben. Mein erster bezahlter Job seit mehr als 250 Tagen. Mal sehen welche Seiten mir die Stadt in den nächsten Wochen noch von sich zeigt.
Über den Labour Day Anfang September geht es dann erst einmal für ein paar Tage nach Seattle. Das wird wohl mein nächster Reisebericht…Schlaflos in Seattle.